Gestern
Abend ging ich noch mal raus, kurz nach Mitternacht,
um nachzusehen, ob auch alle Heizlampen in
den Ziegen-, Hühner- und Putenhäusern
arbeiten. Die Temperatur drohte auf Null oder
sogar noch darunter abzufallen. Alle Hunde
waren längst schlafen gegangen und die
Nacht war still. Beim Betreten der Veranda
begrüßte mich die Sicht auf einen
kristallklaren Himmel mit Scharen von Sternen.
Meine Taschenlampe anknipsend machte ich mich
auf den Weg zum Schuppen (wir weigern uns,
uns eine dieser verdammten "Rund-um-die-Uhr"
Monsterdinger anzuschaffen, die die Sterne
vom Scheinen abhalten).
Am frühen Abend hatte ich ein bisschen
Stroh gebracht, um den Tieren auf der Farm
ein frisches Bett zu machen; dabei war mir
draußen vor dem Gatter ein Bündel
heruntergefallen, dass ich nicht mehr aufgehoben
hatte.
Während ich den Weg herunter lief, sah
ich im Schnee ein paar blutige Pfotenabdrücke,
die aus dem Wald herauskamen und in dem Strohbündel
am Gatter endeten. Zusammengerollt auf den
Strohhaufen lag ein Hund. Mittelgroß.
schwer auszumachen in der Dunkelheit, welche
Art Hund; könnte alles Mögliche
gewesen sein. Aber ganz sicher ein Hund dunkler
Farbe. Ich legte meine Hand auf den Rücken
und fühlte kalte Rippen. Ich zog meine
Handschuhe aus und tastete hinter den Vorderlauf.
Ein Herzschlag. Dann hörte ich einen
schwachen Schlag. Das Ende der Rute ging auf
und ab, hinterließ kleine Abdrücke
im Schnee, aber der Kopf bewegte sich nicht.
Ich blickte in die tiefbraunen Augen, die
zu sagen schienen "Bitte jage mich nicht
weg, ich kann keinen Schritt mehr laufen".
Die Läufe waren gebrochen und bluteten.
Ich kontrollierte, ob die Heizlampen
funktionierten und nahm den durchfrorenen
Hund vorsichtig an mich. Kein Widerstand,
nur das Klopfen der Rute. Nicht viel Gewicht
für die Größe des Bündels.
Ich machte mich auf den Weg zur Vordertür.
Drinnen angekommen legte ich den Hund in der
Tür ab. Keine Bewegung. Während
ich kontrollierte, ob alles noch schlief,
machte ich mich auf die Suche nach einer Decke.
Ich war mir ziemlich sicher, dass wir die
letzte Hundedecke bei unserer Rettungsaktion
von neulich verwendet hatten. Im Schrank nichts,
im Trockner nichts, auf der Couch nichts.
Ich ging ins Schlafzimmer und zog vorsichtig
die vom Bett herunter. Auch wenn sie schon
alt war und an den Rändern auszufransen
begann, es war die letzte Verfügbare.
Ich faltete sie und legte sie auf die Heizklappe,
ganz nah beim Ofen. Dann nahm ich den Hund
und legte ihn oben drauf.
Nach Mitternacht an Sylvester, in einer sehr
ländlichen Gegend von Südwest-Missouri
- keine Chance heute Abend noch einen Tierarzt
aufzutreiben. Wir würden es morgen versuchen
müssen. Ich ging in die Küche, nahm
eine Dose Hühnerbrühe aus der Gefriertruhe
und warf sie in die Mikrowelle. Ich ging zurück
ins Wohnzimmer und setzte die Schale nah an
die Decke, in Reichweite der kalten Schnauze.
Noch ein paar Schwanzklopfer war die einzige
Bewegung. Ich langte hinunter und legte meine
Hand unter das Kinn, vorsichtig den Kopf anhebend.
Jetzt hier drin, konnte ich sehen, dass der
Hund schwarz war, zumindest an den Stellen,
die noch nicht grau geworden waren. Fast das
ganze Gesicht zeigte die weißen Anzeichen
vergangener Zeit und die Pupillen, umrandet
von diesen dunkelbraunen Augen, waren blau.
Die Ohren gehörten einem Labrador und
auch der Schwanz, der jedes Mal klopfte, wenn
ich näher kam. Der Körper war dünn
und knochig. Keine Vorderzähne mehr.
Die Reißzähne waren abgewetzt oder
bis auf kleine Stummel abgebrochen und ganz
hinten konnte ich drei Zähne sehen. Ich
wollte nicht nachsehen, ob der alte Hund ein
Rüde oder eine Hündin war. War ja
eigentlich ohnehin egal. Ich sagte dem alten
Hund, dass ich ins Bett gehen würde und
tätschelte seinen Kopf, was er wieder
mit einem Schwanzklopfen erwiderte.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer fragte ich mich,
wie um alles in der Welt der Hund zu unserer
Farm gekommen war. Er kam durch die Wälder,
die groß und unbewohnt waren. Ich fragte
mich auch warum ausgerechnet hier. Die Antwort
war einfach. Die Hand Gottes hatte den alten
Hund zum richtigen Ort gebracht.
Es ist jetzt morgens und ich bin seit ein
paar Stunden auf. Die Schale mit der Brühe
war leer und die Decke war so, wie ich sie
verlassen hatte. Keine blutigen Pfotenabdrücke
auf dem Teppich, nur auf der alten Decke.
Kurz nachdem ich zu Bett gegangen war, hatte
der alte Hund die Hühnerbrühe aufgeschlabbert
und die Schale sauber geleckt. Die Decke war
leicht aufgeworfen und der alte Hund hatte
sich zu einem fest Ball zusammengerollt, die
Nase unter den Schwanz gesteckt. Als ich mich
bückte, um guten Morgen zu sagen, antwortete
kein Schwanzklopfen mehr. Ich wusste, dass
der alte Hund in der Nacht über die
Regenbogenbrücke gegangen war. Kniend
vor dem alten Hund, dankte ich Gott für
die alte Decke die übrig geblieben war
und für die Hände, die den Hund
zur Regenbogen-Farm geleitet hatten. In dem
Moment fiel mir das Gedicht ein, dass Walt
für uns geschrieben hatte:
"Hör die Freundlichkeit, sanfte
Worte,
verloren oft hinter Tränen
Leg deine Hand auf meine Schulter
lass sie meine Ängste nehmen."
Walt Zientek
Quelle:
www.protect-animals.de/Nachdenkliches-Htmdateien/n15.htm